Zivilklausel überdenken + ChatGBT macht Wissenschaft + Wasserstoff-Patente • Research.Table

  • Biontech: Drei Gründe für die Abwanderung
  • Jan Wörner: Zivilklauseln müssen dringend überarbeitet werden
  • ChatGPT: Folgen & Chancen für die Hochschulen
  • Wasserstoff: Deutschland führend bei Patenten
  • Österreich: 10-Punkte-Plan für Vertrauen in Wissenschaft
  • Studie: 302 Milliarden pro Jahr für EU-Klimaziele
  • q.e.d.: Weniger disruptive Forschung

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir begrüßen Sie zum neuen Research.Table, dem Professional Briefing für Wissenschaftspolitik, Forschungsstrategie, Innovationsmanagement und Research Funding. Sie lesen heute die erste Ausgabe unseres Informationsangebots, und bitten Sie um Ihre Einschätzung. Wir hoffen, der Start gefällt Ihnen. Aber wir möchten Ihre Wünsche noch genauer kennenlernen. Schreiben Sie gern an: research@table.media.

Ab sofort berichten wir – immer donnerstags – für die Köpfe in Parlamenten und Ministerien, Universitäten und Instituten, Unternehmen, Stiftungen, Verbänden und Think-Tanks.

In unseren Vorbereitungen für dieses Professional Briefing war stets sehr präsent, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine auf die deutsche Forschungsszene haben und welche zusätzlichen Herausforderungen dies bedeutet.

Doch was ist die richtige Reaktion aus der Forschung auf die großen Fragen, die sich zugegebenermaßen nicht erst seit den jüngsten Krisenzeiten stellen? Wir möchten ein Forum für diese Debatten sein, Sie über Entwicklungen informieren und Einordnung bieten.

In dieser ersten Ausgabe berichten wir über den Schock, den Deutschlands Vorzeige-Forschungsunternehmen Biontech in der Wissenschaftsszene auslöste. Acatech-Präsident Jan Wörner spricht sich im Interview gegen pauschale Zivilklauseln aus: Frieden brauche eine moderne Verteidigung. Im Porträt stellen wir Ihnen Ruth Schimanowski vor, sie ist Leiterin der DAAD-Außenstelle in Peking und verantwortlich für den akademischen Austausch zwischen Deutschland und China.

Wir, das sind meine Kollegen, die Wissenschaftsjournalisten Markus Weißkopf, Tim Gabel und ich, mit Unterstützung der vielen Kollegen von Table.Media, wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre!

Wenn Ihnen der Research.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für den Research.Table kostenlos anmelden.  

Analyse

Warum Biontech seine Krebsforschung in Großbritannien aufbaut

Biontech-CEO Uğur Şahin ist voll des Lobes. „Wir haben gesehen, dass die Entwicklung von Arzneimitteln beschleunigt werden kann – ohne dabei Abkürzungen zu nehmen -, wenn alle nahtlos zusammen auf das gleiche Ziel hinarbeiten.“ Gemeint sind britischen Behörden, Forschungseinrichtungen und der private Sektor. In Deutschland hat Şahin diese Beschleunigung offenbar nicht beobachtet.  

Nach Recherchen und Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Politik zeigen sich drei Hauptgründe für die Entscheidung Biontechs, mit seinem wichtigsten Forschungsbereich nach Großbritannien zu gehen: 

  • Organisation klinischer Studien: Das zentralisierte britische Gesundheitssystem mit dem National Health Service (NHS) im Mittelpunkt erleichtert die Rekrutierung passender Patientinnen und Patienten. Die klinischen Studienzentren stehen dort in direktem Kontakt mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten vor Ort. Das bedeutet: Zentralisierte Organisation, schnellere Kommunikations- und Entscheidungswege. Dagegen gilt das föderale Deutschland im Bereich Patientenrekrutierung und Genehmigung klinischer Studien als besonders bürokratisch und langsam. Christof von Kalle vom Berlin Institute of Health bemängelt die mangelnde Ausstattung deutscher Universitäten im Bereich des Datenschutzes oder der Rechtsberatung. Es gebe hier im Gegensatz zu anderen Ländern keine standardisierten Verfahren. „Bis in Deutschland die Verträge fertig sind, haben andere bereits die Patientenrekrutierung abgeschlossen.“ Dadurch werde es immer schwieriger, an internationalen Projekten teilzunehmen.   
  • Genomdatenbanken: Die Briten fördern Genomsequenzierungen von Patienten mit Krebs oder seltenen Erkrankungen bereits seit rund 10 Jahren, gestartet mit dem 100.000 Genomes-Project. „By unlocking the power of DNA data, the NHS will lead the global race for better tests, better drugs and above all better care“, hatte der damalige Premier David Cameron den Schritt begründet. Durch die direkte Beteiligung der Patienten konnten sehr niedrigschwellige Einwilligungserklärungen für die Bereitstellung von Patientendaten geschaffen werden. Ein Participant Panel fungiert als beratendes Gremium von Genomics England, zusätzlich werden viele Ressourcen in die Kommunikation mit Patienten und der Öffentlichkeit investiert. Damit wachsen Datenbanken und das Vertrauen der Bürger in das System. 
    Auch in den USA werden die Datenbanken, die Erbgutveränderungen mit Krebserkrankungen koppeln, größer. Somit hat Biontech hier offensichtlich auf die im Bereich der mRNA-Krebsimmuntherapien größte Konkurrenz auf der anderen Seite des Atlantiks reagiert und sich einen europäischen Standort mit ebenfalls guten Ausgangsbedingungen gesucht.  
     
    Als eine seiner letzten Amtshandlungen hatte auch Jens Spahn ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Krebspatienten in Deutschland einen Anspruch auf eine Genomsequenzierung gibt. Aber noch wird dieses anscheinend kaum angewendet. Die Rahmenbedingungen und die Fachkräfte in den Kliniken fehlen, erklärten Experten gegenüber dem Spiegel im vergangenen August. Zudem scheint hier (noch) der besonders gründliche deutsche Datenschutz ein Problem zu sein. 
  • Zulassung: Die Zulassung der individualisierten Krebstherapien könnte eine große Herausforderung werden, da quasi jedem Patienten ein „eigenes“ Medikament gegeben wird. Die britischen Zulassungsbehörden haben bereits bei den Corona-Impfstoffen gezeigt, dass sie die entsprechenden Prozesse schnell organisieren und flexibel reagieren können. In der Europäischen Union erfolgt zunächst eine Zulassungsempfehlung durch die EMA (European Medicines Agency) für alle 27 Mitgliedsstaaten. Diese können dann national umgesetzt werden. 

Flexiblere Prozesse für individualisierte Medikamente 

Zahlreiche Experten und Politiker fordern seit langem eine verantwortungsbewusste, aber stringentere Organisation klinischer Studien: Wenn Forschung und Entwicklung gerade im Bereich der Krebstherapien in Deutschland oder der EU stattfinden sollen, dann brauche es schnellere Schritte an allen Stellen, ohne dabei diese Sorgfaltspflicht zu verletzen. Dabei dürften die Schritte in den Zulassungsverfahren, die die Sicherheit und Unversehrtheit der Patientinnen und Patienten garantierten, nicht aufgeweicht werden. Die Auflagen sollen sicherstellen, dass Risiken so weit wie möglich vermieden werden.  

Insbesondere der Datenschutz ist ein Problem 

Gegenüber Reseach.Table sagt Clemens Hoch, rheinland-pfälzischer Minister für Wissenschaft und Gesundheit, „Es ist seit langem bekannt, dass das deutsche Datenschutzrecht Forschungsaktivitäten im medizinischen-pharmazeutischen Bereich häufig verhindert. Rheinland-Pfalz setzt sich deshalb für eine Novellierung beim Bund ein“.

Insbesondere beim Aufbau von Genomdatenbanken steht oft der Datenschutz im Vordergrund und nicht der Nutzen für die Forschung und die Patienten. Die europäische DSGVO bietet eigentlich Interpretationsspielräume, die aber hierzulande nicht genutzt werden. Immerhin ist im Koalitionsvertrag ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz vorgesehen, in das die Forschungscommunity Hoffnungen setzt.

Wenn es gelänge, einen europäischen Gesundheitsdatenraum und eine zugehörige Vertrauensarchitektur zu schaffen, könnte dies laut Eva Winkler, Professorin am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg, in Zukunft auch zu einem Vorteil für den europäischen Forschungsraum werden. Allerdings müssten dann die Genomsequenzen nicht lediglich anonymisiert wie bisher vorliegen, sondern gekoppelt mit anderen Patientendaten, sagt Christof von Kalle. 

Wenn das geschafft ist, bleibt noch die notwendige Beschleunigung und Flexibilisierung der Zulassungsprozesse neuer Medikamente und Therapien in der EU. Der Bundestagsabgeordnete Stephan Albani (CDU) betont: „Biontech und andere werden in diesem Bereich noch mehr Forschungs- und Entwicklungszentren bauen. Wir müssen jetzt die Rahmenbedingungen verbessern, damit diese dann in Deutschland stehen. Hier muss ressortübergreifend unter Führung des BMBF mit dem BMWK und dem BMG zusammengearbeitet werden.“ Welche Maßnahmen insbesondere das BMBF plant, um diese Verbesserungen herbeizuführen, das ist Teil einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion. Markus Weißkopf

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Jan Wörner: Zivilklauseln müssen dringend überarbeitet werden

Jan Wörner: „Wir müssen resilienter werden“.

Der Angriff auf die Ukraine war für Jan Wörner ein absoluter Schock, er gehöre auch nicht zu den „Schlaubergern“, die alles schon vorher gewusst haben wollen. „Forschung hat, wenngleich das noch nicht so richtig überall angekommen ist, durch diesen Krieg massiv an Bedeutung gewonnen, und zwar in allen Bereichen“, sagt Wörner. „Wir haben festgestellt, dass Lieferketten gefährdet oder unterbrochen wurden, Wertschöpfungsketten gerissen sind. Das muss uns aufwecken. Wir müssen resilienter werden.

Der Krieg gegen die Ukraine habe das Friedensprojekt Europa und die friedliche Bundesrepublik über Nacht getroffen. „Plötzlich sind viele Dinge nicht mehr wie vorher. Erst fehlten uns die Chips, die wegen der Pandemie Mangelware wurden. Und jetzt fehlen uns zum Teil Seltene Erden und viele ähnliche Dinge aus der Ukraine. Uns fehlt das Öl und natürlich das Gas aus Russland. Das ist ein Wachrütteln, ein heftiges Wachrütteln“, meint der Acatech-Chef. „Da wird Forschung in allen Bereichen, von der Grundlagenforschung bis hin zur Entwicklung von Produkten, massiv wichtig. Wir können nicht mehr nur einfach sagen: Okay, wir forschen mal hier, wir forschen mal da.“

„Frieden braucht moderne Verteidigung“

Vor einem Jahr hätte auch er nicht gedacht, dass er den Universitäten raten würde, sie „sollen auch mal über die Zivilklausel nachdenken. Die Universitäten und die Forschungseinrichtungen dürften nicht sagen: Wir machen gar keine Forschung mehr, die irgendwie zur Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland genutzt werden kann. Das sei „nicht richtig“. Außerdem könne „sehr vieles auch militärisch benutzt werden – eine verabsolutierte Zivilklausel würde beispielsweise Forschung an Navigationsdiensten ausschließen, die ja auch für Lenkwaffen wichtig ist“, sagt Wörner.

Seine Schlussfolgerung daraus: „Ohnehin sind pauschale Verzichtklauseln nicht mehr hilfreich. Wenn uns dieser Krieg irgendwas lehrt, dann ist es doch, dass die Technologie in einem Krieg, im Jahre 2022 und den folgenden sehr wichtig ist.“ Dass der ukrainische Präsident Erfolge habe, liegt an der Moral seiner Leute und daran, dass er viel moderner mit den ganzen Sachen umgehe als Putin. „Deshalb glaube ich, so leid es mir tut: Frieden braucht moderne Verteidigung. Deshalb müssen die bestehenden Zivilklauseln im Sinne einer friedenssichernden Forschung kritisch überarbeitet werden.“

Das Interview wurde für die Publikation „Was jetzt, Forschung?“ geführt. Gemeinsam mit der Falling Walls Foundation haben wir herausragende Persönlichkeiten aus der Wissenschaft gefragt, wie aus der Zeitenwende eine Chance werden kann. Die Publikation enthält Impulse aus den Gesprächen u.a. mit Martina Brockmeier (Leibniz), Heyo Kroemer (Charite), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung) und Dorothea Wagner (Wissenschaftsrat). Den kostenlosen Reader erhalten Sie mit unserer nächsten Ausgabe von Research.Table.

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„ChatGPT zwingt uns, über den Kern wissenschaftlichen Arbeitens nachzudenken“

Robert Lepenies, Präsident der Karlshochschule in Karlsruhe

Herr Lepenies, ChatGPT ist eine Künstliche Intelligenz, die maschinell Texte produziert, welche kaum als solche erkennbar sind. Das Tool schreibt Abhandlungen über wissenschaftliche Themen und holt sich via Google Scholar sogar passende Quellenangaben und Zitate. Wie haben Sie an Ihrer Hochschule reagiert, als Sie dieses neue und frei zugängliche Tool entdeckt haben? 

Robert Lepenies: Nun, wir haben es selbst ausprobiert, einen Lunch-Talk organisiert, dann mit den Kolleginnen und Kollegen gesprochen und jeweils gefragt, was das für ihre Bereiche bedeutet. Für die Lehre, die Forschung, aber natürlich auch für Kommunikation und Marketing. Für die Studierenden haben wir unter anderem ein Insta-Live gemacht, um auch sie in die Diskussion mit einzubinden. 

Lassen Sie uns doch mal mit den Chancen beginnen, die sich durch diese Technologie für die Hochschulen ergeben. 

Ich denke, diese neue Anwendung zwingt uns dazu, noch mehr über den Kern wissenschaftlichen Arbeitens nachzudenken. Was ist Routine und kann vielleicht durch Maschinen erledigt werden? Und was bleibt dann für uns Menschen? Unter anderem geht es darum, den Maschinen die richtigen Fragen zu stellen. Oder wie es mein Kollege Wendelin Küpers hier formulierte: „Die Kunst der Frage kommt zurück in die Wissenschaft“. Wer clever fragt, bekommt noch cleverere Antworten. 

Welche Möglichkeiten ergeben sich in der Organisation der Lehre oder auch in anderen Bereichen? 

Ich kann mir hier Vieles vorstellen. Von der Erledigung fest definierter Aufgaben bis hin zur Ideengenerierung. Ganze Lehrpläne und Kursinhalte könnten mit ChatGPT erstellt werden – oder auch Prüfungsaufgaben. Oder der Chatbot kann als „Teammitglied KI“ mit in einer Kreativrunde sitzen und als zusätzlicher Impulsgeber fungieren. 

Und in der Hochschulkommunikation?

Natürlich könnten in Zukunft viele Standardtexte maschinell erstellt und dann „nur“ noch durch Menschen überarbeitet werden. Aber man kann zum Beispiel auch überlegen, ob sich der Chatbot in andere Personas versetzen kann. Beispielsweise in den typischen Studierenden der Karlshochschule. Um dann dem Tool zu sagen: Jetzt mach mal einen für diese Zielgruppe zugeschnittenen Marketingplan. Dazu gehören beispielsweise auch Social Media-Posts, die Menschen aus bestimmten Gruppen ansprechen.    

Denken Sie nicht, dass Probleme entstehen? Potenziellen ausländischen Studierenden könnte durch die KI etwa eine internationale Kompetenz der Hochschule vorgegaukelt werden, die es so vielleicht gar nicht gibt. Braucht es eine Art Kennzeichnung der Kommunikation á la „KI Inside“? 

Keine vorschnellen Abwehrreaktionen. Ich frage mich schon, wann der erste Vorschlag für eine KI-Prüfstelle oder eine Validierungskommission kommt… Insgesamt muss man sich über eine neue Digitalethik unterhalten. Was ist unethisch? Wenn eine KI quasi vorgibt, eine andere Person zu sein? Wenn Texte „nur“ umgeschrieben werden? Irgendwann werden diese Texte vermutlich einfach ein Bestandteil unseres Alltags sein. Wichtig ist, dass wir jetzt anfangen, in der Schule und in der Hochschule junge Menschen auf diese neue Technologie vorzubereiten. Damit sie sowohl als Produzenten als auch als Konsumenten von KI-geschriebenen Texten verantwortungsbewusst handeln können. 

Was auffällt, ist eine sehr hohe Selbstsicherheit des Chatbots. Bei Antworten auch auf komplexe Fragen gibt es keine Reflexion über mögliche Unsicherheiten. Ein Risiko?  

Wir haben gerade in den vergangenen Pandemie-Jahren gelernt, wie wichtig die gute Kommunikation von Unsicherheiten ist. Und natürlich ist es ein Problem, wenn es ein Tool gibt, das uns gesichertes Wissen suggeriert, das wissenschaftliche Quellen halluziniert. Sprich: ChatGPT ist – noch – zu selbstsicher. Auch dann, wenn es uns gerade großen Quatsch erzählt. Aber wenn man die Nachfrage stellt ,Are you sure?‘ – dann zeichnet sich ein anderes Bild. Wir brauchen die Kompetenz, mit diesem Tool richtig umzugehen. Aber natürlich kann der Chatbot keine Wahrscheinlichkeitsangaben machen. So wie es im IPCC-Bericht der Fall ist. 

Neue Kompetenzen braucht es sicher auch, um KI-geschriebene Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten oder wissenschaftliche Paper zu erkennen? Können die überhaupt noch von den menschengemachten unterschieden werden? 

Bestimmt wird bald AI-Erkennungssoftware verkauft und ähnlicher Unsinn. Vielmehr müssen wir unsere Ansprüche und die Art der Prüfungen verändern. Wir müssen uns auf die grundlegenden Kompetenzen des wissenschaftlichen Arbeitens rückbesinnen. Warum es wichtig ist, selbst lesen, schreiben und nachdenken zu können. Und dann müssen wir überlegen, wie wir dazu passend unser Prüfungssystem neu gestalten. Wir brauchen neue Formate: Hausarbeiten mit mündlicher Prüfung oder mit Reflexionsteil. Oder auch die Integration von Videos in Abschlussarbeiten. Oder Schreibklausuren, bei denen es um den Prozess der Erstellung von Arbeiten geht und nicht nur um das Produkt. Oder Schreibwerkstätten zusammen mit KI. 

Was würden Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Leitungsebenen der Wissenschaft gerne noch mit auf den Weg geben? Wie kann sich die Wissenschaft auf diese kommende Technologie einstellen? 

Zunächst einmal sollten wir jetzt anfangen, ChatGPT zu testen sowie über die Konsequenzen nachzudenken und das nicht auf die lange Bank schieben. Generell sollten wir nicht nur die Herausforderungen sehen, sondern auch die vielen Chancen, die diese neue Technologie bietet. Und es ist wichtig, dass wir den Einsatz dieser Technologie sowie die Reflexion darüber gemeinsam angehen. Lasst uns zum Beispiel die Studierenden mitnehmen, wenn es darum geht, die Lehre neu zu gestalten. Dann können wir Potenziale nutzen und die Risiken managen. 

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News

Österreich: Zehn Punkte für mehr Vertrauen in die Wissenschaft

Der österreichische Wissenschaftsminister Martin Polaschek hat einen 10-Punkte-Plan für mehr Vertrauen in Wissenschaft und Demokratie erarbeitet. Das Wissenschaftsministerium veröffentlichte den Plan bereits Ende 2022 in Wien. Unter anderem soll eine zentrale Stelle für Wissenschafts- und Demokratievermittlung eingerichtet werden, wie es sie in Deutschland und der Schweiz für den Bereich der Wissenschaftskommunikation bereits gibt.  

Hintergrund sind die schlechten Werte des Landes im Eurobarometer 2021 zu Wissenschaft und Technologie. So nehmen laut der europaweiten Umfrage die Österreicher den ersten Platz in Europa in puncto Gentechnikskepsis ein. Zudem denken die Menschen in dem Land mehrheitlich, dass Wissenschaft in ihrem Leben keine große Rolle spielt.  

Ziel des 10-Punkte-Plans ist es, die Ursachen des Misstrauens zu untersuchen und die Vermittlung von Wissenschaft und ihrer Funktion in der Demokratie zu stärken. Die Punkte ähneln den Empfehlungen der vom deutschen BMBF einberufenen Denkfabrik zur Wissenschaftskommunikation #FactoryWisskomm aus dem Jahr 2021.  

Der österreichische Wissenschaftsminister Polaschek kündigte konkrete Maßnahmen noch für 2023 an. In der #FactoryWisskomm arbeiten derzeit sogenannte Taskforces an der Umsetzung der Handlungsperspektiven. mw

  • Wissenschaftskommunikation

Wasserstoff-Patente: EU und Japan vorne

Eine Studie des Europäischen Patentamts (EPA) und der Internationalen Energieagentur (IEA) zur Anzahl von Wasserstoff-Patenten sieht deutsche Konzerne, Universitäten und Forschungsinstitute gut im Rennen. Insgesamt nehmen bei der Wasserstoff-Technologie Japan und die EU Spitzenpositionen ein. Deutschland stellt 11 Prozent aller weltweiten Patente, das sind die meisten innerhalb der EU. Japan sicherte sich 24 Prozent der insgesamt ca. 24.000 von 2011 bis 2020 erteilten Wasserstoffpatente, die USA 20 Prozent. Die EU insgesamt erreichte laut EPA 24 Prozent und China 4 Prozent. 

EPA-Präsident António Campinos sagte: „Das Potenzial von Wasserstoff zu nutzen, ist ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Strategie zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050.“ Wasserstoff kann Wind- und Sonnenenergie speichern und in der Industrie Öl, Kohle und Gas ersetzen. Es wird heute größtenteils mit Erdgas erzeugt. Die Innovationen verlagern sich aber „hin zu emissionsarmen Lösungen“, heißt es in der Studie.

Im Jahr 2020 entfielen fast 80 Prozent aller auf Wasserstofferzeugung bezogene Patentanmeldungen auf Technologien, die dem Klimaschutz dienen sollen. Dabei ist dieses Wachstum vor allem auf einen starken Innovationsanstieg im Bereich der Elektrolyse zurückzuführen. Die innovativsten Regionen konkurrieren nun darum, die erste Phase der industriellen Einführung bei sich durchzuführen, wobei die Daten darauf hindeuten, dass Europa als Standort für Investitionen in neue Produktionskapazitäten für Elektrolyseure an Vorsprung gewinnt.

Die neuen Schwergewichte bei Wasserstoff-Patenten seien Unternehmen aus der Auto- und Chemiebranche, die sich schwerpunktmäßig mit Elektrolyse- und Brennstoffzellentechnologien befassten. Ein Elektrolyseur kann mit Strom aus Wind- und Solaranlagen Wasserstoff erzeugen und so Energie speichern. Bei den Patenten für etablierte Wasserstofftechnik lagen der französische Gashersteller Air Liquide und sein deutsch-amerikanischer Konkurrent Linde vorn. Auch BASF, Siemens und Bosch gehören zu den weltweit führenden Anmeldern. tg

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  • Patente
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ETH: 302 Milliarden pro Jahr für EU-Klimaziel nötig

In der Europäischen Union braucht es ab sofort die Investition von 302 Milliarden Euro pro Jahr, um das Netto-Null-Emissionsziel bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Zu diesem Ergebnis kommt die Metanalyse eines Teams von der ETH Zürich, die im Fachjournal „Nature Climate Change“ veröffentlicht worden ist. Damit müssten die EU-Staaten jedes Jahr 87 Milliarden Euro mehr investieren als im Zeitraum von 2016 bis 2020.  

Für ihre Metastudie haben Lena Klaaßen und Bjarne Steffen über 600 Zeitreihen aus 56 bereits erschienen Studien analysiert. Von diesen wurden allerdings nur 18 im akademischen Kontext erarbeitet und unterlagen dem Peer-Review. Sie fanden dabei heraus, dass bereits aktuell (Zeitraum 2021 bis 2025) der für die nächsten fünfzehn Jahre größte Investitionssprung und damit die Umleitung etablierter Finanzströme notwendig ist, um auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel mit ausreichender Geschwindigkeit voranzukommen.

Die Forscher identifizierten für nahezu alle Technologien einen notwendigen Investitionszuwachs. Nur die Investitionen in konventionelle Kraftwerke und die Öl- und Gasinfrastruktur sollten sinken. Am ausgeprägtesten müssten zur Erreichung der Klimaziele demnach die Investitionsverschiebungen bei den Kraftwerken für erneuerbare Energien (plus 24 Milliarden Euro), den Stromnetzen und -speichern (plus 24 Milliarden Euro) sowie der Schieneninfrastruktur (plus 25 Milliarden Euro) ausfallen.

Diese Prioritätensetzung heben auch die vom deutschen Science Media Center zu dieser Studie befragten Experten als wichtige Empfehlung an die Politik hervor. Insbesondere im Verkehrssektor sehen diese die Gefahr, dass Deutschland bei den derzeitigen verkehrspolitischen Rahmenbedingungen die notwendigen Minderungen der Emissionen nicht erreichen wird. tg

Presseschau

Spektrum – Ozonschicht steht vor weiterer Erholung: Die Ozonschicht ist derzeit auf gutem Weg, sich innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu erholen. Darauf wies ein von der UN eingesetztes Expertengremium in dieser Woche bei der Jahrestagung der American Meteorological Society in Denver hin. Das hat positive Effekte auf das Klima. Diese sind allerdings nicht groß genug, um den Trend der Erderwärmung umzukehren.

RTL+/Stern/One Pod Wonder – Eine neue Medizin, die Biontech-Story: Özlem Türeci und Uğur Şahin sind mit ihrem Impfstoff gegen Covid-19 weltweit die ersten auf dem Markt. Der Podcast zur Biontech-Operation „Lightspeed“ gibt einen Einblick, unter welchen Bedingungen Innovationsforschung in einem Jahr statt in einer Dekade zu einem zugelassenen Wirkstoff führen kann. Eine Retrospektive, die Einblicke in die Mischung aus wissenschaftlicher Exzellenz, beeindruckendem Unternehmergeist und Wochenendarbeit gibt.

Science – NASA unveils initial plan for multibillion-dollar telescope to find life on alien worlds: In dieser Woche veröffentlichte die NASA den Plan für das nächste Multimilliarden-teure Weltraumteleskop. Damit will man nichts Geringeres als Leben im All entdecken. Anders als der Vorgänger, das „James-Webb-Space-Telescope“ sollen diesmal Reparaturroboter mitgesendet werden, die für jahrzehntelange Haltbarkeit sorgen. Größtes Problem ist die Finanzierung. Die USA haben die Mittel für ihr Raumfahrtprogramm 2022 gekürzt.

Süddeutsche – Warum Römerbauten so lange halten: Es war der Kalk! Er hält Römeraquädukte und antike Prunkbauten seit Jahrhunderten zusammen. Eine Gruppe von US-Wissenschaftlern um Linda M. Seymour und Janille Maragh hat herausgefunden, dass Kalk dem römischen Beton Selbstheilungskräfte verleiht. In Verbindung mit Wasser mineralisiert er im Beton und schließt so kleine Risse und Spalten. Moderner Beton hat diese Eigenschaft verloren.

RiffReporter – Deutscher Unternehmer will auf alten AKW-Standorten Fusionskraftwerke bauen: Neben erneuerbaren Energiequellen brauche es „unbedingt eine zweite Basis für die Energieversorgung, die Grundlast liefert“, sagt Frank Laukien, Vorstandsvorsitzender der Bruker Corporation. Das Unternehmen produziert Hightech-Geräte und Komponenten für Technikunternehmen. Mit der Neugründung „Gauss Fusion“ will Laukien nun für Fusionsstrom ab 2045 sorgen. Als Standorte dafür will er ausgediente AKW benutzen. tg

Heads

Ruth Schimanowski – Verteidigerin der Brücken nach China

Ruth-Schimanowski über die akademischen Beziehungen zwischen Deutschland und China Ruth Schimanowski leitet die DAAD-Außenstelle in Peking.

Die Karriere von Ruth Schimanowski läuft nach dem Prinzip „next level learning by doing“. Den Ausdruck hat die Leiterin der DAAD-Außenstelle in Peking bei ihren Kindern aufgeschnappt. Was mehr oder weniger im Scherz dahingesagt ist, sei aber „wirklich typisch für Karrieren in China“. Man bekomme derart früh so viel Verantwortung aufgebürdet, dass man gar nicht anders kann, als sich weiterzuentwickeln. 1999 kam Ruth Schimanowski als Stipendiatin über den DAAD nach China. „Und seitdem bin ich hier.“

Die Außenstelle in Peking ist 1994 eröffnet, 2017 in China als ausländische NGO registriert worden und arbeitet landesweit. Schimanowski ist dafür verantwortlich, den Überblick zu behalten, damit die Programme am Laufen gehalten und beworben werden. Durch die isolationistische Politik der kommunistischen Partei ist das Kerngeschäft des DAAD natürlich enorm erschwert worden, teilweise sogar zusammengebrochen.

Keine zehn Stipendiaten aus Deutschland – 40.000 Studierende aus China

Derzeit befinden sich weniger als zehn deutsche Stipendiatinnen und Stipendiaten in China. Vor der Pandemie waren es mehr als 150. „Umgekehrt ist das Interesse an einem Studium in Deutschland bei Chinesen immer noch hoch“. Im Wintersemester 2021/2022 waren über 40.000 chinesische Studierende an deutschen Hochschulen immatrikuliert.

In keinem Fall aber dürfe man sich auf dem momentanen Status ausruhen, meint Schimanowski. Zum einen schrumpft der Aufholbedarf vonseiten Chinas täglich, besonders in den von Peking ausgemachten Schlüsseltechnologien: Künstliche Intelligenz, Quantentechnologien, IT-Technologien, Hirnforschung, sowie Biotechnologie, Luft- und Raumfahrt. Der 14. Fünfjahresplan von 2021 sieht vor, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2025 jährlich um mindestens sieben Prozent steigen sollen. Bis 2050 will China an die Weltspitze.

Außerdem sollen weibliche Talente gestärkt werden. Zwar liege der Anteil der Frauen an den wissenschaftlichen und technologischen Personalressourcen bei etwa 40 Prozent und damit über dem weltweiten Niveau, „aber die meisten von ihnen befinden sich in einer Grundstufe.“ Den Aufholbedarf sieht Peking also bei hochqualifizierten weiblichen wissenschaftlichen Talenten, denen zukünftig günstigere Rahmenbedingungen geboten werden sollen.

Balanceakt zwischen Spionagerisiken und Kollaborationen

Kontrolle ist überall. Seit 2017 werden Chinas Top-Universitäten und deren Lehrmaterialien inspiziert, um die Einhaltung der Parteilinientreue zu garantieren. Und die internationalen Kooperationen, die China zum Erreichen seiner Ambitionen bis auf Weiteres benötigen wird, gestalten sich zunehmend vertrackter: „Es wird schwieriger, das Risiko der Spionage und den Transfer von sensiblen Daten zu minimieren und gleichzeitig für gesunde akademische Kollaborationen offen und damit wettbewerbsfähig zu bleiben. Es ist ein Balanceakt“.

Schimanowski befürwortet das Aufrechterhalten einer gegenseitigen Abhängigkeit auf Augenhöhe: „Wir brauchen Reziprozität in den Austauschbeziehungen.“ Ein Interesse an der Zusammenarbeit besteht weiterhin, auch von den deutschen Hochschulen, die den eingeschränkten Zugriff auf chinesische Forschungsanlagen beklagen.

Dreiklang mit Schräglage: „Partner-Wettbewerber-Rivalität“

Die Möglichkeiten dazu versiegen aber nach und nach: „Steigende geopolitische Spannungen, eine kritische Haltung gegenüber China in Deutschland und steigende Kosten durch das Einführen von Compliance-Strukturen auf deutscher Seite belasten das China-Engagement.“ So habe die Überbetonung der Rivalität mit China im eingeübten Dreiklang von ‚Partner-Wettbewerber-Rivalität‘ dazu geführt, dass sich die Erfolgschancen der Visaanträge chinesischer Wissenschaftler deutlich verringert haben, sagt Schimanowski.

Es seien große Löcher gerissen worden, ganze Jahrgänge sind verloren gegangen. Für Schimanowski jedoch kein Grund zum Verzagen: „Offensichtlich ist der akademische Austausch in eine Schieflage geraten, stellenweise zusammengebrochen – aber das macht unsere Arbeit doch nur noch wichtiger.“ Julius Schwarzwälder

Personalien

Prof. Dr. Lothar Wieler legt sein Amt als Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) nieder. Er verlasse das RKI auf eigenen Wunsch zum 1. April. Wieler will sich „neuen Aufgaben in Forschung und Lehre“ widmen. Vor seiner Tätigkeit beim RKI, die er während der Covid-19-Pandemie im Fokus der Öffentlichkeit ausübte, war Wieler Professor für Mikrobiologie und Tierseuchenlehre an der FU Berlin. Eine Rückkehr ist nicht ausgeschlossen. Den Posten beim RKI übernimmt zunächst sein Stellvertreter, Prof. Dr. Lars Schaade. Mehr dazu im Berlin.Table.

Dr. Peter Jansens übernahm zu Jahresbeginn als neuer Vorstand den wissenschaftlichen Geschäftsbereich II des Forschungszentrums Jülich. Der 56-jährige Chemieingenieur verantwortet das Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK), das Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) sowie das Zentralinstitut für Engineering, Elektronik und Analytik (ZEA).

Dr. Ricarda Opitz ist seit dem 1. Januar 2023 die administrative Geschäftsführerin und Mitglied Vorstands des Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Gesellschaft. Zuletzt verantwortete sie als stellvertretende Generalsekretärin und als Leiterin des Referats Wissenschaft die wissenschaftsbezogen-strategische Arbeit in der Leibniz-Gemeinschaft (2012-2022).

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q.e.d. – Was zu beweisen war …

Quantität ≠ Qualität, das gilt auch für die Wissenschaft. Obwohl die Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen in den vergangenen 80 Jahren förmlich explodiert ist, ist in dieser Zeit die Anzahl von disruptiven wissenschaftlichen Arbeiten und Patenten stark gesunken. Das wollen Forscher der University of Minnesota in ihrer aktuellen Studie herausgefunden haben.

Um Disruption zu messen, stellten sich die Forscher auf den Standpunkt, dass eine Studie dann bahnbrechend ist, wenn nachfolgende Forschungen nicht bloß die Referenzen der Studie, sondern stattdessen die Studie selbst zitieren. Die Forscher sehen das als Indiz dafür, dass ein Artikel ein Fachgebiet in eine ganz neue Richtung lenkt.

Zur Analyse wurde eigens der CD-Index entwickelt. Dieser reicht von „1“ für die disruptivsten Studien bis „-1“ für die am wenigsten disruptiven Studien, die bestehendes Wissen eher konsolidieren. C steht dabei für „consolidating“ und D für „disruptive“. 45 Millionen Forschungsmanuskripte sowie knapp vier Millionen Patente wurden für die Studie in vier wissenschaftlichen Fachdisziplinen ausgewertet.

Der durchschnittliche CD-Index ging zwischen 1945 und 2010 für Forschungsmanuskripte um mehr als 90 % zurück (siehe Grafik) und um mehr als 78 % von 1980 bis 2010 für Patente. In allen analysierten Forschungsfeldern und Patenttypen nahm die Disruptivität ab, selbst wenn man mögliche Unterschiede bei Faktoren wie der Zitierpraxis berücksichtigt.

Auch wenn die Forscher explizit darauf hinweisen, dass der Grad an Disruption nicht unbedingt etwas über die Qualität einer Studie aussagt, kann man die Ergebnisse durchaus als Bestätigung für die Kritik an Entwicklungen im Wissenschaftsbetrieb lesen. So stützt die Studie die Kritik an der „publish or perish“-Kultur, in der es an Hochschulen und Forschungseinrichtungen inzwischen eher auf die Quantität statt auf die Qualität von Veröffentlichungen ankommt.

Die Forscher bennen mögliche Gründe der Entwicklung: So nimmt der CD-Wert ab, wenn Forschungsteams größer werden. Desto kleiner (genauer: inkrementeller) werden dann die Erkenntnis-Häppchen. Das lässt durchaus auch Spielraum für eine positive Lesart: Dass Forschung auch deshalb kleinteiliger wird, weil sie demokratischer geworden und nicht mehr nur auf einzelne Personen zugeschnitten ist.

In ihrer Conclusio raten die Forscher den Behörden und dem Wissenschaftsbetrieb dazu, wieder mehr Zeit und Freiraum für Forschende zu schaffen, damit folgenreiche Arbeiten entstehen können – was allerdings auch nicht gerade eine disruptive Empfehlung ist. Tim Gabel

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Research.Table Redaktion