Google löst wegen Chat-Konkurrenz ChatGPT „roten Alarm“ aus | Leben & Wissen

Macht sich bei Google Panik breit?

Knapp vier Wochen nach dem Start des Chat-Bots ChatGPT, der mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) die Fragen seiner Nutzer beantwortet, wurde bei Google ein „roter Alarm“ ausgelöst, wie die „New York Times“ berichtet. Es gebe die Sorge, dass ChatGPT mit seiner enorm leistungsfähigen Technologie das Geschäft des Internetgiganten gefährden könnte.

Die Internet-Suchmaschine von Google hatte ab Anfang der 2000er-Jahre mit ihrer überlegenen Technologie die bis dahin üblichen Katalog- und Such-Dienste im Internet gnadenlos abgehängt, ist seit Jahren die meistbesuchte Web-Seite der Welt (zuletzt knapp 92 Milliarden Abrufe pro Monat).

Google kombiniert seine Trefferlisten mit Werbung – Grundlage für das Anzeigengeschäft, mit dem die Google-Mutter Alphabet den größten Anteil ihres Umsatzes erzielt: Von den mehr als 69 Milliarden Dollar im letzten Quartal machte der Konzern knapp 79 Prozent mit Werbung.

Doch was passiert, wenn Googles Technik nach mehr als 20 Jahren plötzlich nicht mehr der Maßstab aller Dinge sein sollte? Ein KI-Chatbot wie ChatGPT könnte die klassische Internetsuche revolutionieren und womöglich komplett ersetzen.

Die derzeit nutzbare Testversion von ChatGPT gibt einen Eindruck davon, wie man damit künftig etwas im Internet finden könnte: Statt einzelne oder kombinierte Suchbegriffe in das Google-Suchfenster einzutippen und eine Liste mit Treffern geliefert zu bekommen, kann man ChatGPT eine Frage stellen und im Laufe der Unterhaltung präzisieren, um zum perfekten Suchergebnis zu gelangen.

Beispiel: Auf die Frage, was ein BILDplus-Abo von BILD kostet, warf Google ungefähr 3,25 Millionen Treffer aus, sortiert nach Relevanz. ChatGPT hingegen gab auf die Frage einen klar strukturierten Text mit Preis-Informationen aus, verwies am Ende auf die Internetseite von BILDplus.

Zwar arbeitet auch Google an künstlicher Intelligenz zum Chatten wie dem „Language Model for Dialogue Applications“ ( LaMDA), das dem Nutzer in einem Chat die Antworten auf seine Fragen liefern soll. Doch bislang befindet sich die Chat-Technik noch in einer Testphase. Die zugrundeliegende Technologie hilft jedoch bereits jetzt, in den Suchergebnissen einzelne Abschnitte von Internetseiten hervorzuheben, die eine Antwort auf die Frage des Nutzers enthalten.

Fraglich ist aber, ob Nutzer noch auf Anzeigen klicken, wenn sie künftig die perfekte Antwort von einem Chat-Bot serviert bekommen. Das aktuelle Geschäftsmodell von Google wäre damit in höchster Gefahr. Deshalb habe man bei Google jetzt eine Art Feueralarm ausgelöst, so die „New York Times“. Auf BILD-Nachfrage äußerte sich Google bislang nicht dazu.

Wie groß ist die Gefahr für das Geschäftsmodell von Google wirklich? „Ich sehe KI-Systeme eher als mögliche Ergänzung zur normalen Suche“, sagt Gerard de Melo, Professor und Leiter des Fachgebiets „Artificial Intelligence and Intelligent Systems“ am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam, gegenüber BILD. „Googles Geschäftsmodell ist insgesamt nicht besonders bedroht, da Google den Bereich Suchmaschinen dominiert und selbst auch Vorreiter in der KI ist.“

Tatsächlich wurde die KI-Technologie, auf der ChatGPT beruht, ursprünglich von Wissenschaftlern bei Google entwickelt und später frei zugänglich gemacht.

Einsatz von Chat wäre ein Verlustgeschäft

Völlig ersetzen könne eine KI die normale Google-Suche nicht, so Prof. de Melo. Es gebe aber „durchaus Situationen, in denen wir Menschen gerne in einen Dialog zu einem Suchergebnis kommen würden.“ In vielen Fällen hätten Menschen Rückfragen zu einer gelieferten Antwort oder wollten Schritt für Schritt die Wahl näher eingrenzen. „KI-gestützte Systeme könnten hier helfen“, so de Melo.

Bislang taugt ChatGPT allerdings nicht für diesen Such-Einsatz. Zwar liefert der Chat ausführliche Antworten, die auch Verweise auf Internetseiten enthalten. Die sind aber oft veraltet, weil die Datengrundlage der KI aus dem Jahr 2021 stammt. Das könnte sich künftig natürlich ändern. Dass eine KI-gestützte Suche prinzipiell möglich ist, macht die recht junge Suchmaschine You.com vor. Sie zeigt seit Kurzem neben ihren herkömmlichen Suchergebnissen auch ein Chat-Fenster, über das man mit einer KI kommunizieren kann.

Der Einsatz eines solchen Chat-Fensters in der Google-Suche wäre nach Einschätzung von Prof. Gerard de Melo jedoch derzeit unwirtschaftlich. „Da Google jeden Tag Milliarden an Suchanfragen beantwortet, wäre ein großflächiger Einsatz einer mächtigen Software wie ChatGPT aktuell sehr teuer“, so der KI-Experte. „Es wäre im Moment eher ein Verlustgeschäft. Auch die Energiebilanz wäre bedenklich. Hier kann es noch eine Weile dauern bis geschickte Lösungen gefunden werden.“