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Derzeit gibt es viele Fälle von Infektionen mit dem RS-Virus in Deutschland. Der Bad Nauheimer Kinderarzt Prof. Arno Fuchshuber versucht Licht ins Dunkel zu bringen.
Friedberg – Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV, macht Eltern Angst. Der Bad Nauheimer Kinderarzt Prof. Arno Fuchshuber spricht über Verläufe, Sorgen und den Zusammenhang mit Corona. „Ich sehe zum Teil 100 Kinder am Tag, in sonstigen Hochzeiten sind es 70 oder 80“, sagt Prof. Arno Fuchshuber.
Der Kinderarzt und sein Team kümmern sich in Praxen in Bad Nauheim und Friedberg um die Gesundheit kleiner Patienten. Aktuell haben sie extrem viel zu tun. RS-Virus und Grippe gehen um, bereiten Eltern im ganzen Land und auch in der Wetterau große Sorgen. Vor allem die Heftigkeit, mit der das RS-Virus zuschlägt, beängstigt. Zumal schwere Verläufe auf überlastete Kliniken treffen. Kinder im ersten Lebensjahr seien am gefährdetsten, sagt Fuchshuber. Ganz besonders treffe es Frühgeborene oder Babys mit Vorerkrankungen des Herzens oder der Lunge.
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In dieser Herbst-Winter-Saison habe er in seinen beiden Praxen schon über zehn Kinder wegen RSV zur stationären Behandlung ins Krankenhaus überwiesen. Denn bei den Allerkleinsten entzünden sich die ganz kleinen Lungenbläschen, Bronchiolitis nennt sich die Erkrankung. Der Gasaustausch funktioniert nicht mehr richtig, die Kinder bekommen zu wenig Sauerstoff.
„Wenn ich einen Abstrich mache, habe ich fast zu 100 Prozent ein positives Ergebnis“, sagt Fuchshuber über seine aktuellen Erfahrungen mit RSV und Grippe. „Die Eltern haben eine berechtigte Unsicherheit, weil die Kinder auch wirklich krank sind, vor allem die Kleinen. Und weil sie lange krank sind.“ Oft handele es sich um mehrere Viruserkrankungen hintereinander, auch wenn die Eltern es als eine einzige lange erlebten. Gerade Eltern von Babys kämen auch schon bei leichten Symptomen, aus Angst, ihr Kind könnte sich mit dem RS-Virus infiziert haben.
RS-Virus: Lage wird erstmal angespannt bleiben
Die Lage dürfte sich erst mal nicht entspannen, sagt Fuchshuber. „Wir rechnen damit, dass wir erst am Beginn der Infektionswelle sind.“ Er mache sich Sorgen wegen der Lage in den Kliniken. Vom Vorstoß des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach, notfalls Personal von anderen Stationen auf der Kinderstation einzusetzen, hält Fuchshuber gar nichts. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.“
Grippe und RS-Virus gehen derzeit um. Wegen Letzterem herrscht bei Eltern eine große Unsicherheit. Zumal die Situation in Krankenhäusern sehr angespannt ist. (Symbolfoto) © IMAGO-Images/Robert Poorten
Neben der Tatsache, dass auch auf anderen Stationen Personal fehlt, scheitert dieser Plan laut Fuchshuber eben auch daran, dass man als Erwachsenenpflegekraft nicht die Kompetenz hat, auch Kinder intensivmedizinisch adäquat zu behandeln. „Da macht sich Herr Lauterbach falsche Vorstellungen.“ Schon jetzt würden geplante Eingriffe bei Kindern verschoben, um die akut erkrankten Kinder behandeln zu können. Fuchshuber rechnet damit, dass das wegen der deutschlandweit nur noch geringen Zahl an freien Intensivbetten so bleibt.
Impfungen gegen RS-Virus: Es gibt sie nur eingeschränkt
Wie kommt es, dass sich derzeit so viele Kinder mit RSV oder Grippe infizieren? „Durch die Isolation und die Masken gab es weniger Infektionen unter den Kindern, das holen sie jetzt nach“, sagt der Kinderarzt. Es liege aber auch an Corona selbst, denn laut Fuchshuber gibt es Studien, die belegen, dass die Immunkompetenz nach einer Corona-Infektion schlechter ist als vorher.
„Die Maßnahmen wie Lockdown und Maskenpflicht waren schon richtig zu dem Zeitpunkt“, sagt Fuchshuber und verweist auf die damals hohe Inzidenz und die kaum vorhandene Erfahrung mit Corona. „Jetzt tragen wir in gewisser Weise die Konsequenzen daraus, damit müssen wir auch umgehen.“
Infektion mit dem RS-Virus: Wie kann sie verhindert werden
Bleibt die Frage, inwiefern man eine Infektion mit dem RS-Virus verhindern kann. Außer Hände waschen gebe es da nicht viel, was man in einem Haushalt mit kleinen Kindern tun kann, sagt Fuchshuber. Es sei richtig, wenn Kitas und Kindergärten hustende Kinder nicht betreuen möchten, damit die anderen Kinder und auch die Erzieherinnen und Erzieher nicht angesteckt werden. Wie sieht es mit einer Impfung aus? Die gibt es, sagt der Kinderarzt.
Aber aktuell ausschließlich für Risikogruppen, also für Frühgeborene oder etwa für Kinder mit Herzfehler oder Lungenerkrankung, Eine Impfung koste zwischen 500 und 1000 Euro, sagt Fuchshuber. Sie müsse in der Saison einmal pro Monat verabreicht werden. Macht etwa sechs Impfungen pro Kind. Laut Fuchshuber laufen aber Studien zu einem neuen Impfstoff, bei dem ein Piks pro Saison reichen würde und den dann alle Kinder in einem bestimmtem Alter bekommen könnten. Es wäre ein Lichtblick für Kinder und Eltern.
Lage in Kliniken: In der Wetterau ist die Versorgung jetzt schon angespannt
Was Kinderarzt-Praxen in der Wetterau betrifft, so ist die Versorgung jetzt schon sehr angespannt, sagt der Wetterauer Kinderarzt Prof. Arno Fuchshuber. Die Situation in den Kliniken bereitet ihm mehr Sorgen. Es gebe hohe Infektionszahlen und zu wenig Personal. Laut einer Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hatten von 110 Kinderkliniken zuletzt 43 Einrichtungen kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei.
„Lediglich 83 freie Betten gibt es generell noch auf pädiatrischen Kinderintensivstationen in ganz Deutschland – das sind 0,75 freie Betten pro Klinik, also weniger als eines pro Standort.“ Der Artikel zur Umfrage ist auf der DIVI-Website zu finden, er stammt vom 1. Dezember 2022. Der Beruf der Krankenschwester oder des Krankenpflegers werde zu gering bezahlt, sei zu wenig anerkannt, obwohl es doch ein toller Beruf sei, sagt Prof. Arno Fuchshuber.
Dadurch, dass weniger Menschen diesen Job ergreifen, gebe es Engpässe, die bei den Verbliebenen die Freude am Job sinken lasse, es entstehe ein Kreislauf, der den Personalnotstand noch verstärke. „Gesundheit kostet, das müssen wir bereit sein, zu bezahlen.“ (Christoph Agel)
In Frankfurt wird mittlerweile von einem „Tsunami“ in Bezug auf das RS-Virus gesprochen.